DIE GEBURT DES VEREHRTEN

HODSCHA UBEYDULLAH UND SEINE KINDHEIT

Er kam im Jahr 806 n.H. im Monat Ramadan auf die Welt. Bevor seine Mutter nicht nach dem Wochenbett ihre rituelle Ganzwaschung vorgenommen hatte, saugte er vierzig Tage lang keine Muttermilch.

Er erzählte selbst:

- Als ich ein Jahr alt wurde, wollte man meine Haare mit einer Zeremonie abschneiden. Während der Versammlung kam die Nachricht, dass Emir Timur gestorben war. Als die Gäste diese Nachricht hörte, ließen sie das ganze vorbereitete Essen, ohne es angerührt zu haben, und liefen vor Angst auf die Berge.

Der Verehrte Hodscha war als Kind mit seiner Familie in Bağistan. Auf seinem Gesicht stand ein leuchtender Ausdruck. Wer sein Gesicht betrachtete, der betete für die Zukunft des Verehrten Hodschas und schloss ihn ins Herz. In seinem jungen Alter erwähnte er immer Allah und seine ganzen Gedanken waren mit Allah.

Er erzählte selbst:

- Als ich zur Schule ging, war mein Herz immer mit Allah. Ich dachte, dass es jedem Menschen so gehen würde wie mir. In einem kalten Winter sank mein Fuß in ein Schlammloch ein. Als ich meinen Fuß retten wollte, sank mein Saum auch in den Schlamm. Ich wurde unachtsam. Als ich mich damit beschäftigte, vergaß ich Allah zu erwähnen. Drüben sah ich einen Bauersjungen, der das Feld pflügte und ich ärgerte mich. „ Guck dir diesen Jungen an. Er arbeitet so hart, denkt aber trotzdem an Allah. Und du? Du hast es vergessen, weil dein Fuß im Schlamm steckt. Wegen dieser Kleinigkeit hast du Allah vergessen.“ Ich fing an zu weinen. Damals dachte ich bis zu meiner Pubertät, dass jeder wie ich ständig an Allah denken würde. Ich dachte für mich, dass Allah die Menschen erschuf, damit sie an Allah denken. Später verstand ich, dass die Achtsamkeit nur für wenige Diener ein eigentümlicher besonderer Segen Allahs war. Man bekam diesen Sachverhalt mit der Enthaltsamkeit und mit dem Kampf gegen das Nefs. Nicht einmal mit dieser Arbeit ist dieser Sachverhalt zu begreifen.

Der Neffe des Verehrten Hodscha, Hodscha İshak, erzählte:

- Wenn ich und andere Kinder spielten, drängten wir den Verehrten Hodscha, mit uns zu spielen. Wir konnten ihn nicht überzeugen. Er tat nur so, als würde er spielen. Er stand an einer Seite und war mit sich beschäftigt.

Er erzählte selbst:

- Als ich ein Kind war, träumte ich, dass ich neben der Grabstätte des Verehrten Scheich Ebubekir Şaşi stand. Auf der Schwelle des Grabes stand der Verehrte Jesus. Ich warf mich ihm zu Füßen. Er hob meinen Kopf mit seinen Händen hoch und sagte: „Mach dir keine Sorgen. Ich werde dich erziehen.“ Wem auch immer ich diesen Traum erzählte, deutete den Traum so, dass ich eine Fähigkeit im Bereich der Medizin bekommen würde. Diese Deutung fand ich für mich jedoch nicht passend. Ich deutete diesen Traum so: Der Prophet Jesus konnte die Toten wieder ins Leben holen. Wenn ein Heiliger diese Eigenschaft besaß, nannte man ihn ‘Gemütsart Jesus’. Also übernahm der Verehrte Jesus meine Erziehung. Mir wurde die Gabe zugeteilt, die toten Herzen zum Leben zu erwecken. Nach kurzer Zeit schenkte mir Allah die Fähigkeit und die entsprechende Macht, dass meine Traumdeutung in voller Reife in mir in Erscheinung trat. Durch diesen Bettler wurden viele tote Herzen aus der Finsternis der Unachtsamkeit in das Licht der Bezeugung und der Zufriedenheit geführt.

Er erzählte selbst:

- Am Anfang meines Zustandes sah ich im Traum den Herrscher des Universums. Auf den Ausläufern eines sehr hohen Berges befand er sich mit seiner Anhängerschaft (Sahabe). Als er mich sah, rief er mich mit einem Handzeichen zu sich und erzählte.“ Bringe mich auf die Spitze des Berges“. Ich nahm ihn auf meinen Schultern und brachte ihn auf die Spitze des Berges. Er sagte:“ Ich wusste, dass du solche Kraft besitzt. Ich ließ es dir, dieses zu tun, damit alle anderen sehen und wissen sollen“.

Er erzählte selbst:

- Wieder am Anfang meines Zustandes sah ich im Traum den Verehrten Hodscha Bahaeddin Nakşibend. Er nahm mein geistliches Innere unter seiner Befugnismacht. Ich hatte keine Kraft mehr auf meinen Beinen. Anschließend drehte er sich um und ging weg. Ich lief mit meiner letzten Kraft hinter ihm her und holte ihn ein. Er drehte sich um und sagte: “Alles Gute sei heilig“. Später träumte ich vom Verehrten Hodscha Muhammed Parisa. Er wollte mich unter seine Befugnismacht nehmen, aber er schaffte es nicht.

Er erzählte selbst:

- Es gab im Schloss des Uluğ Bey Mirza einen Unteroffizier. Wenn jemand bestraft werden musste, war er dafür zuständig, auch für die Prügelstrafen. Dieser Unteroffizier schickte eine Nachricht nach Taşkent und forderte, dass alle jungen Scheichs sich versammeln sollten. Er wollte alle Scheichs sehen. Wir waren zusammen siebzehn junge Scheichs. Ich war der Jüngste. Der Unteroffizier begrüßte uns mit einem Handschlag. Bei jedem Handschlag wurde derjenige fast ohnmächtig. Ich war an der Reihe. Ich fühlte das Gefühl von Ohnmacht. Ich konnte aber widerstehen. Mein Widerstand gefiel dem Mann. Er nahm mich in die vorderste Reihe und machte mir Komplimente. Ich wunderte mich, wie es sein konnte, dass so ein Mensch einerseits ein starkes geistliches Inneres haben konnte und anderseits einem Herrscher diente und politisch aktiv war. Er entdeckte, was ich für mich dachte. Er sagte: “Ich war Mürid des Verehrten Hodscha Hasan Attar. Lange Zeit blieb ich bei ihm, um meine Geistlichkeit zu erweitern. Aber es war mir nicht möglich. Ich erzählte meinen Zustand dem Verehrten Hodscha. Er befahl mir, in den Diensten des Herrsches zu arbeiten. Diese Arbeit sollte die Aufgabe eines Schleiers erfüllen und ich sollte mich zu meinem geistlichen Inneren zuwenden. Dadurch hatte ich die Möglichkeit, den Menschen behilflich zu sein und mein Hodscha schrieb einen Tevhidbrief an die Zuständigen. Diese Arbeit bereitete mir große Schmerzen. Durch diesen Schmerz wurde meine innere Geistlichkeit erweitert. Durch den Befehl des Verehrten Hodscha ging mein Wunsch als Angestellter in Erfüllung. Ich half den Armen, den Hilflosen und den ungerecht behandelten Moslems. Falls ich nicht helfen konnte, musste ich große Schmerzen aushalten. Als Ergebnis kam ich auf diese Stufe, die du erlebst hast.“

Er erzählte selbst:

- Ein zeitlang hatte ich ein derartiges Verlangen, dass ich von jedem Hodscha, Hadschi, Scheich, Mürschid und Weisen, den ich auch traf, eine Fürbitte für mein Herz verlangte

Er erzählte selbst:

- Ich war in meiner anfänglichen Zeit. Meine Mutter hatte ein Feld. Sie schickte mir mit einem Wüstenbewohner, einem Türken, etwas Weizen. Als ich den Weizen in den Speicher getragen hatte, nahm der Türke die Säcke und ging fort. In diesem Moment spürte ich in mir einen Schmerz und eine Qual. Ich warf mir vor, dass ich diesen verzückten Mann nicht um seine Gunst bat, als hätte ich eine große Angelegenheit verpasst. Ich ließ alles stehen und machte mich auf den Weg. Ich wollte den verzückten Türken einholen. Ich erreichte ihn auf der Hälfte des Weges in die Stadt. Ich bettelte: „Nehmen sie mich in ihr Herz. Blicken sie mit ihrer Gnade auf meinen Zustand. Durch ihr Wohlwollen beschützt mich und vergibt mir vielleicht Allah. Vielleicht öffnet Allah meinen Knoten auf diesem Weg.“ Der Mann guckte mich mit Staunen an: „Ich glaube...sie verhalten sich nach den Prinzipien der türkischen Scheichs. ‚Wen du auch siehst, halte ihn für einen Heiligen - geh davon aus, dass jede Nacht eine heilige Nacht ist.‘ Ich bin ein in der Wüste lebender Türke. Ich kann mich nicht einmal richtig waschen. Was kann es denn sein, was du von mir willst?“ Durch mein Betteln wurde der Türke so beeindruckt, dass er seine Arme hochhob und für mich betete. Mit dem Segen dieser Fürbitte sah ich in meiner inneren Geistlichkeit die Entdeckung und die Eroberung. Man weiß es nicht.

Unter welchen Umständen man und welche Fürbitte von Allah angenommen wird, ist ein Geheimnis.

Er erzählte:

- In meiner Kindheit hatte ich viel Fantasie , so viel, dass ich nicht nach draußen gehen konnte, wenn ich allein war. In einer Nacht wurde mein Zustand unbeschreiblich anders. Ich hatte ein Verlangen, ohne meinen Willen zur Grabstätte des Verehrten Ebubekir Şaşi zu gehen. Ich rannte aus dem Haus und kam an der Grabstätte an. Ich setzte mich gegenüber des Verehrten Scheichs. Ich hatte Angstgefühle. Eine Stunde blieb ich dort. Von da aus ging ich an der Grabstätte des Scheichs Havend Tahur vorbei. Ich hatte dort keine Angstgefühle. Ich besuchte viele andere Grabstätten, aber Angstgefühle hatte ich nicht. Obwohl ich klein war und ungeheuerlich viele Fantasien hatte, ließen die Seelen der Heiligen mich trotz der Finsternis der Nacht und der Friedhöfe keine Angst spüren. Als ich mich an diesen Zustand gewöhnte, besuchte ich nachts die Friedhöfe von Taşkent. Die Friedhöfe waren weit voneinander entfernt, aber ich konnte in einer Nacht alle Friedhöfe besuchen. Ich war damals in der Pubertät. Meine Familie war beunruhigt, weil ich nachts spazieren ging. Aus dem Grund schickte meine Familie mir meinen Milchbruder hinterher, um zu erfahren, ob ich etwas Schlechtes tue. In einer Nacht war ich gegenüber der Grabstätte des Scheich Havend Tahur. Mein Milchbruder kam auch nach. Als er zu mir kam, legte er seine Hand auf meine Hand und begann zu zittern und sagte „ Mir erscheinen merkwürdige und geheimnisvolle Sachen.“ Ich brachte ihn nach Hause. Er erzählte zu Hause meiner Familie: „Ihr braucht euch keine Sorgen zu machen. Er ist in einem ganz anderen Zustand als wir. In der finsteren Nacht bleibt er alleine an den Grabstätten bis zum Morgen. Nicht einmal zehn Männer schaffen das.“ Als meine Familie davon erfuhr, wusste sie, dass ich in einem anderen geistlichen Zustand war. Die Familie radierte alle bösen Gedanken über mich aus.

Er erzählte selbst:

- Ich war an der Grabstätte des Scheichs Ebubekir Şaşi. Diese Grabstätte war so würdevoll und beängstigend, dass man sich sogar tagsüber davor fürchtete, hierher zu kommen. Es gab in Taşkent einen Mann, der auf der Stufe der ‘Starrköpfigkeit’ und des ‘Leugnens’ stand. Er suchte eine passende Gelegenheit, um diesem Bettler Schaden zuzufügen. In dieser Nacht beobachtete mich der üble Mann. Ich war am Grab in Murakabe. Um mir Angst einzujagen, kam er mit lautem Geschrei und merkwürdigen Bewegungen auf mich zu. Er wusste aber nicht, dass ich durch Geschrei und merkwürdige Bewegungen keine Angst haben konnte. Ich schenkte ihm keine Beachtung und machte mit dem Murakabe weiter. Als der Mann sah, dass ich nicht durch ihn beeindruckt war, schämte er sich. Er kniete nieder und bat um Entschuldigung. Später wurde er ein Anhänger und Diener von uns.

Er erzählte:

- In einer Nacht saß ich an der Grabstätte des Scheichs Zeynüddin. Die Grabstätte lag neben der Stadt in einer einsamen Ecke. Es gab in Taşkent einen verrückten riesigen Kerl. An diesem Tag brachte er in der Stadt jemanden um. Die Menschen hatten selbstverständlich Angst vor ihm. Wenn man ihn sah, entfernte man sich sofort. Als ich an der Grabstätte war, kam er überraschend heraus und schrie: „Steh auf! Geh weg von hier!“ Ich gab keine Antwort und machte mit meinem Murakabe weiter. Er warnte mich weiter. Ich zeigte keine Reaktion. Er sprang hoch und rupfte trockenes Gras aus und machte ein Bündel. Er machte die Leuchte des Grabes auf und zündete das Bündel an. Seine Absicht war, das brennende Bündel auf meinen Kopf zu legen. Als er sich mit dem Bündel näherte, kam plötzlich ein Windstoß und löschte das Feuer. Der Verrückte wurde wütend. Er machte mit seinem Mundwerk weiter. Dieser Zustand dauerte bis morgens früh. Als die Sonne aufging, verschwand er wie eine Fledermaus. Er war nach Taşkent gegangen, brachte den ganzen Morgen den Basar durcheinander und brachte noch jemanden um. Daraufhin kamen alle Menschen und erschlugen ihn mit den Stöcken.

Er erzählte selbst:

- Viele Menschen erzählten, dass aus den Gräbern einige Erscheinungen auftreten würden. Uns passierte so etwas nicht. Aber als ich an der Grabstätte des Verehrten Scheich Havend Tahur war, fiel vom Sarkophag etwas Schwarzes und rollte herunter. Ich hatte gemischte Gefühle. Ich ging von dort weg. Und in einer Nacht saß ich wieder an der gleichen Grabstätte. Es kam ein Hustengeräusch vom Fuße einer Zypresse. Diesmal stand ich auf und setzte mich noch näher. Ich habe schon so viele Gräber besucht, aber mehr als das, was ich hier schon erzählte, habe ich nicht erlebt.

Er erzählte:

- Als der Verehrte Hodscha Adulhalik Gucdevani und seine Anhänger auf der Straße und auf dem Basar spazierten, drangen alle Geräusche von Menschen und Verkäufern als Zikir in ihre Ohren. Außer Zikir konnten sie nichts hören. Am Anfang nahm mich das Zikir so weit ein, dass ich die Geräusche vom Wind als Zikir hörte. Eines Tages feierte ein reicher Mann in Semerkant eine Hochzeit. Durch das Bitten eines Freundes ging ich in die Nähe der Hochzeitsgesellschaft. All die Geräusche der Hochzeitsgesellschaft und die Musik kamen mir wie Zikir vor. Ich hörte nichts anderes. Ich war damals achtzehn Jahre alt.